17. September 2011

7. traditioneller Herbstausflug ins Elsass

Mulhouse - Thann - Ottmarsheim
 

Mit Mulhouse (110.000 Einwohner) besuchen wir in diesem Jahr eine der größten Städte in der Region. Vorbei am Tour du Bollwerk aus dem 14. Jh. erreichen wir bald den Place de la Réunion mit seinem prächtigen Rathaus aus dem Jahre 1552. Gleich um die Ecke kann man an einer Kette
einen Klapperstein mit einer Schandmaske sehen; wie die Inschrift besagt, mussten ihn "böse Mäuler" durch die Stadt tragen. Gleich daneben erinnert Guillaume (Wilhelm) Tell daran, dass Mulhouse im 16. Jh. einmal zur Eidgenossenschaft gehörte. Im gegenüberliegenden Temple St.Etienne,

der neugotischen protestantischen Stadtkirche von 1866, kann man noch die vom Vorgängerbau übernommenen prächtigen gotischen Glasfenster aus dem 14. Jh. bewundern. Die Bilder stellen Szenen aus dem Alten und dem Neuen Testament dar, zum Beispiel "Jonas und der Walfisch" (Mitte). 

Bei einem Bummel durch die Altstadt finden wir alte Bürgerhäuser aus mehreren Epochen der Stadt, so das Zunfthaus der Rebleute mit Wappen.
Mulhouse ist auch bekannt für seine Wandmalereien. Manche Mauern der Stadt sind mit Fresken und optischen Täuschungen bemalt, um das Heimaterbe zu würdigen, die Geschichte der Stadt zu erzählen, aber auch, um zum Nachdenken und Träumen anzuregen.
Nach der fachkundigen Stadtführung mit Madame Mezabi bleibt noch Zeit durch die Stadt zu bummeln oder im Marché du Canal Couvert zu essen.
  
Eigentlich war nun eine Fahrt zum Ballon d' Alsace geplant. Doch das sonnige Wetter in Mulhouse verwandelte sich bei Annäherung an die Vogesen schnell in ein Gewitter. Kurz entschlossen besuchen wir das reizende Städtchen Thann mit seiner berühmten gotischen Stiftskirche St. Thiébaut, dem Theobaldusmünster. Im hohen dreischiffigen Raum lässt sich exemplarisch die Entwicklung der Gotik studieren: Ernste Frühgotik im südlichen Seitenschiff (1232-1246), reife Hochgotik im Chor und im Mittelschiff (1351-1423), "flamboyante" Spätgotik im nördlichen Seitenschiff (1430-1492).
Einzigartig ist auch das reich skulptierte Figurenportal (1342-1420) mit 150 Szenen und 500 Figuren, die Szenen aus dem Leben Mariens zeigen.

Der Höhepunkt unseres sehr kunsthistorischen Ausflugs war zweifellos unser Besuch in der romanischen Abteikirche von Ottmarsheim. Diese im Jahre 1049 vom Elsässer Papst Leo IX. geweihte Kirche beeindruckt durch ihren achteckigen Grundriss (Oktogon) und verweist damit demonstrativ auf die Pfalzkapelle Karls des Großen in Aachen. Jahrhunderte lang war Ottmarsheim der Mittelpunkt der habsburgischen Lande im Elsass. Das um 1045 gegründete Benediktinerinnenkloster wurde wenig später in ein Damenstift umgewandelt und bestand bis zur französischen Revolution.
Nachdem 1991 bei einem Brand schwere Schäden entstanden, wurde das Kulturdenkmal umfassend restauriert und ist nun wieder zu besichtigen.

Der Zufall wollte es, dass gerade an diesem Tag in Frankreich ein "Tag des offenen Denkmals" stattfand und es so möglich war, auch die Fresken im Emporenumgang zu betrachten, die ansonsten nicht zugänglich sind. So konnten wir nicht nur die Fresken im Gewölbejoch des unteren Oktogon-umgangs bewundern, z.B. die Darstellung der vier Evangelistensymbole (Bild Mitte) oder die Messe Papst Gregors des Grossen (rechts), sondern auch
die ebenso ergreifenden Deckenfresken des Emporenumgangs wie die Engel (links), den hl. Petrus in der Glorie (Mitte) oder den hl. Erzengel Michael als Seelenwäger (alle um 1460). Dank eines sehr kompetenten und informativen Vortrags in französischer Sprache konnten viele von uns weitere
Eindrücke in die Geschichte des über tausend Jahre alten Kulturdenkmals gewinnen. Die Würde dieses Raumes, seine schlichte architektonische Eleganz, sein Alter, seine Akustik und die Kraft seiner Bilder hat uns tief beeindruckt und war Höhepunkt und Abschluss eines denkwürdigen Ausflugs. 
Fotos: Wolfgang Rauneker